BFH v. 8.5.2019 – II R 18/16
Bei der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind Vorerwerbe dem letzten Erwerb ohne Bindung an eine dafür bereits ergangene Steuerfestsetzung mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen. Eine bei der Besteuerung des Vorerwerbs zu Unrecht abgezogene sachliche Steuerbefreiung ist nicht zu berücksichtigen. Die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG sind nur zu gewähren, wenn das erworbene Vermögen sowohl auf Seiten des Erblassers oder Schenkers als auch auf Seiten des Erwerbers begünstigtes Vermögen ist. Die Zuwendung von Geld zum Erwerb eines Betriebs ist nicht begünstigt.
Der Sachverhalt:
Der Kläger ersteigerte durch Zuschlagbeschluss vom 30.10.2006 von einem Dritten ein Grundstück, auf dem ein Reiterhof betrieben wurde, für einen Betrag i.H.v. 420.000 €. Für diesen Zweck hatte er u.a. von seiner Mutter 205.000 € erhalten. Am 15.9.2010 übertrug die Mutter dem Kläger ein anderes Grundstück nebst Hof- und Gebäudefläche. Der Grundbesitzwert für dieses Grundstück wurde durch Feststellungsbescheid des zuständigen Finanzamts vom 25.3.2011 i.H.v. 424.222 € festgestellt. Die vorherige Geldzuwendung zum Erwerb des Reiterhofs werteten sowohl der Kläger als auch das Finanzamt als mittelbare Betriebsschenkung. Mit Bescheid vom 7.10.2011 stellte das örtlich zuständige Finanzamt für das Grundstück, auf dem der Reiterhof betrieben wurde, den Grundbesitzwert i.H.v. 434.000 € fest. Der Bescheid enthält zugleich die Feststellung, dass das Grundstück im Besteuerungszeitpunkt als Betriebsgrundstück zu dem Gewerbebetrieb des bisherigen Eigentümers gehörte, sowie die – unzutreffende – Feststellung, dass der Grundbesitz bislang der Mutter des Klägers zuzurechnen war.
Mit Bescheid vom 15.6.2011 setzte das Finanzamt die Schenkungsteuer für diesen Erwerb (Vorerwerb) i.H.v. 0 € fest. Es vertrat die Auffassung, die Zuwendung i.H.v. 205.000 € im Zusammenhang mit dem Erwerb des Reiterhofs sei nach § 13a ErbStG (vor 2009) begünstigt. Für die schenkweise Übertragung der Hof- und Gebäudefläche vom 15.9.2010 (Letzterwerb) setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 23.6.2011 Schenkungsteuer i.H.v. 994 € fest. Dabei berücksichtigte es einen Grundbesitzwert i.H.v. 414.222 € statt des für dieses Grundstück festgestellten Werts i.H.v. 424.222 € und den Vorerwerb vom 30.10.2006 mit einem Erinnerungswert von 1 €. Dieser Steuerbescheid erging nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 12.6.2014 erließ das Finanzamt einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerbescheid und setzte die Schenkungsteuer für den Letzterwerb auf 25.212 € fest. Den Wert des Grundvermögens korrigierte es auf 424.222 €. Die Zuwendung vom 30.10.2006 berücksichtigte das Finanzamt als Vorerwerb i.H.v. 205.000 €, ohne die Begünstigung nach § 13a ErbStG zu gewähren.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Finanzamt den Vorerwerb des Klägers bei der Festsetzung der Schenkungsteuer im angefochtenen Bescheid in materiell zutreffender Höhe berücksichtigen durfte. Dabei ist die Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen nicht zu gewähren.
Gem. § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass mehrere Teilerwerbe durch Kumulation von Freibeträgen (§ 16 Abs. 1 ErbStG) und/oder Vermeidung der Progression (§ 19 Abs. 1 ErbStG) gegenüber einem einheitlichen Erwerb steuerlich begünstigt werden. Aus § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergibt sich nicht, dass die verschiedenen Erwerbsvorgänge „wie ein Erwerb zu behandeln“ sind. Die Vorschrift ändert aber nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden.
Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist. Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn bei der vorangegangenen Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ein materiell-rechtlich unzutreffender Wert berücksichtigt wurde. Beruht der unzutreffende Wert darauf, dass eine sachliche Steuerbefreiung gewährt wurde, die materiell-rechtlich nicht hätte gewährt werden dürfen, kann und muss dies ebenfalls im Rahmen der Berücksichtigung des Vorerwerbs korrigiert werden. Eine fehlerhafte Steuerfestsetzung kann erst für den Abzug nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG eine Rolle spielen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund musste das Finanzamt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG den Vorerwerb vom 30.10.2006 in der materiell-rechtlich zutreffenden Höhe bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für die Schenkung vom 15.9.2010 hinzurechnen.
Bei der Besteuerung des Letzterwerbs und der hierzu erfolgten Hinzurechnung des Vorerwerbs im Rahmen des § 14 Abs. 1 ErbStG hatte das Finanzamt den Freibetrag für den Erwerb von Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG vor 2009 zutreffend nicht berücksichtigt. Die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Steuervergünstigung lagen nicht vor. Die Zuwendung von Geld zum Erwerb eines Betriebs ist nicht begünstigt. Der Freibetrag und der verminderte Wertansatz des § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG vor 2009 gelten für inländisches Betriebsvermögen (§ 12 Abs. 5 ErbStG vor 2009) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eines Anteils daran (§ 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009). Die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG sind nur zu gewähren, wenn das erworbene Vermögen sowohl auf Seiten des Erblassers oder Schenkers als auch auf Seiten des Erwerbers Vermögen i.S. des Abs. 4 Nr. 1 oder 2 der Vorschrift ist. Dies ergibt sich für die Erwerberseite bereits aus dem Begünstigungszweck der Norm i.V.m. den Nachversteuerungstatbeständen des Abs. 5 der Vorschrift und für die Seite des Erblassers oder Schenkers aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Bevorzugung des Betriebsvermögens gegenüber anderen Vermögensarten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer bedarf im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung. Das BVerfG hat aber die Milderung des Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen ausdrücklich auf solche Erwerber beschränkt, die den Betrieb „weiterführen“, „aufrechterhalten“ und „fortführen“. Diese Wortwahl zeigt, dass das BVerfG den Betrieb des Erblassers oder Schenkers im Blick hatte. An dieser zu § 13a ErbStG i.d.F. vor der Änderung durch das Steueränderungsgesetz 2001 ergangenen Rechtsprechung hält der BFH auch weiterhin fest. Zwar wurde durch das StÄndG 2001 der Wortlaut des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG insoweit geändert, als die Formulierung „beim Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ ersetzt wurde durch „beim Erwerb durch Schenkungen unter Lebenden“. Gleichwohl dient § 13a ErbStG auch in der geänderten Fassung dazu, bestehende Betriebe aufgrund ihrer verminderten Leistungsfähigkeit durch gebundenes Vermögen zu begünstigen.
Zweck der Vorschrift ist es, mittels Begünstigung des Erwerbs bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer einen bestehenden Betrieb des Erblassers oder Schenkers und dessen Arbeitsplätze zu erhalten. Diese sollen davor geschützt werden, dass der Erwerber zur Begleichung seiner persönlichen Erbschaft- oder Schenkungsteuerschuld auf die Vermögenswerte des Betriebs zurückgreifen muss. Die Vorschrift dient dagegen nicht allgemein dazu, die Gründung oder den Erwerb eines Betriebs durch den Erwerber mit finanziellen Mitteln des Zuwendenden zu begünstigen. Letzteres wäre mit der Begründung des verminderten Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen aufgrund der „Weiterführung“, der „Aufrechterhaltung“ und „Fortführung“ des Betriebs des Erblassers oder Schenkers. Diese Rechtsauffassung steht im Einklang mit der zu § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG vor 2009 ergangenen Rechtsprechung. Danach kommt es – ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift – darauf an, dass der Erblasser oder Schenker am Nennkapital der Kapitalgesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar beteiligt ist. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hatte das FG im Streitfall zu Recht entschieden, dass der Vorerwerb im Rahmen des § 14 Abs. 1 ErbStG ohne Abzug des Freibetrags für den Erwerb von Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG vor 2009 zu berücksichtigen ist.
Quelle: BFH online