FG Münster v. 20.3.2019 – 7 K 2071/18 AO
Die Nutzung eines Kontos des minderjährigen Kindes durch den Vater zur Abwicklung seines betrieblichen Zahlungsverkehrs führt nicht dazu, dass das Kind durch einen Duldungsbescheid für rückständige Steuern des Vaters in Anspruch genommen werden kann.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin eröffnete im Alter von elf Jahren ein Girokonto und wurde dabei von ihren Eltern vertreten. Der in der Baubranche tätige Vater veranlasste seine Kunden, Rechnungsbeträge auf dieses Konto zu überweisen. Dies führte zu Einzahlungen auf das Konto von insgesamt rd. 90.000 €. Nachdem die Klägerin volljährig geworden war, nahm das Finanzamt sie im Wege eines Duldungsbescheids in Anspruch und forderte sie auf, rückständige Steuern ihres Vaters i.H.v. rd. 23.200 € zu zahlen und berief sich dabei auf das Anfechtungsgesetz.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin ist nicht verpflichtet, im Rahmen einer Duldungsverpflichtung Wertersatz in Höhe der Steuerrückstände ihres Vaters zu leisten.
Gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 f. AO erfolgt die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede (§ 9 AnfG) geltend zu machen ist. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG).
Es ist zwar davon auszugehen, dass der Vater der Klägerin in Gläubigerbenachteiligungsabsicht handelte, indem er seine Kunden veranlasst hat, Zahlungen auf das Konto der Klägerin vorzunehmen. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass die damals minderjährige Klägerin diese Absicht kannte. Die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vaters kann der Klägerin auch nicht deshalb zugerechnet werden, weil der Vater ihr gesetzlicher Vertreter ist. Eine derartige Zurechnung kommt zwar grundsätzlich in Betracht, findet ihre Grenzen jedoch dann, wenn Eltern ihre rechtlichen Möglichkeiten als gesetzliche Vertreter missbrauchen. Der Minderjährigenschutz genießt insoweit Vorrang vor dem staatlichen Recht, Steuern einzutreiben. Im Übrigen ist die Klägerin durch die Zahlungen auch nicht bzw. nicht mehr bereichert. Es ist nicht ersichtlich, dass entsprechende Vermögenswerte noch vorhanden sind.
Quelle: FG Münster NL vom 15.5.2019