FG Hamburg v. 4.10.2018 – 3 K 69/18
Eine zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO berechtigende offenbare Unrichtigkeit liegt nicht vor, wenn in der Einkommensteuererklärung in Papierform eine Eintragung zu der Höhe der im Bruttoarbeitslohn enthaltenen Versorgungsbezüge fehlt und das Finanzamt aufgrund der vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Lohnsteuerdaten einen zu niedrigen Betrag einträgt mit der Folge, dass zu Unrecht der Arbeitnehmer-Pauschbetrag und der Altersentlastungsbetrag gewährt werden. Auch eine Bescheidänderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO scheidet dann aus.
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Streitjahr 2014 Versorgungsbezüge bezogen. In den beiden ihm übersandten Lohnsteuerbescheinigungen war ein Bruttoarbeitslohn von 29.221 € sowie von 9.740 € und hierin enthaltene Versorgungsbezüge in identischer Höhe eingetragen. Bei den vom Arbeitgeber an das Finanzamt übermittelten Lohnsteuerdaten fehlte allerdings die Angabe der Versorgungsbezüge i.H.v. 9.740 € (Bruttoarbeitslohn insgesamt: 38.961 €, Versorgungsbezüge 29.221 €).
In der persönlich beim Finanzamt abgegebenen Steuererklärung war in Anlage N ein Bruttoarbeitslohn von 38.961 € eingetragen. Die Zeile 11 „steuerbegünstigte Versorgungsbezüge, in Zeile 6 enthalten“ enthielt versehentlich keine Eintragung. Die Sachbearbeiterin überprüfte die ihr ausgehändigten Belege, hakte die einzelnen Positionen ab und gab die Belege anschließend zurück. Die ihr vom Kläger vorgelegten Lohnsteuerbescheinigungen überprüfte sie wegen der elektronischen Datenübermittlung vor der Rückgabe nicht mehr.
Der in der Eingangsstelle tätige Beamte ergänzte später die fehlende Angabe der Versorgungsbezüge in der Anlage N aufgrund der elektronisch übermittelten Daten um den Betrag 29.221 €. Im Einkommensteuerbescheid berücksichtigte das Finanzamt dann einen Bruttoarbeitslohn von 38.961 €, einen Freibetrag für Versorgungsbezüge, aber auch den Arbeitnehmerpauschbetrag und den Altersentlastungsbetrag. Nachdem der Arbeitgeber die übermittelten Daten korrigiert und der Kläger den Beklagten entsprechend informiert hatte, änderte dieser den Einkommensteuerbescheid und ließ nun den Arbeitnehmerpauschbetrag und den Altersentlastungsbetrag unberücksichtigt.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Das Finanzamt konnte den ursprünglichen Bescheid nicht nach § 129 AO berichtigen.
Weil das Finanzamt den Fehler aus der Einkommensteuererklärung -keine Versorgungsbezüge- nicht mechanisch übernommen, sondern die fehlende Angabe durch eigene, allerdings unzutreffende, Sachverhaltsermittlung in Form des Abgleichs der Erklärung mit den elektronischen Daten ergänzt hatte, fehlte es an einer offenbaren Unrichtigkeit. Insoweit hat sich der Senat dem BFH-Urteil vom 16.1.2018 (Az.: VI R 41/16) angeschlossen. Danach liegt eine zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO berechtigende offenbare Unrichtigkeit nicht vor, wenn in der Einkommensteuererklärung in Papierform eine Eintragung zu der Höhe der im Bruttoarbeitslohn enthaltenen Versorgungsbezüge fehlt und das Finanzamt aufgrund der vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Lohnsteuerdaten einen zu niedrigen Betrag einträgt mit der Folge, dass zu Unrecht der Arbeitnehmer-Pauschbetrag und der Altersentlastungsbetrag gewährt werden.
Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO waren ebenfalls nicht erfüllt. Zwar hatte der Kläger versehentlich die Eintragung zu den Versorgungsbezügen in der Anlage N zur Einkommensteuererklärung unterlassen, er hatte aber der Erklärung die Lohnsteuerbescheinigung mit dem zutreffenden Betrag beigefügt. Demgegenüber hat der Bearbeiter des Finanzamtes, der die Einkommensteuererklärung angenommen hatte, die Lohnsteuerbescheinigung ungeprüft wieder aushändigt, weil die Finanzbehörde generell nur die elektronisch übermittelten Daten übernimmt. Vor diesem Hintergrund überwiegte der Pflichtverstoß des Finanzamtes und hinderte nach Treu und Glauben eine Korrektur des Bescheides.
Quelle: Justizportal Hamburg