FG Münster v. 22.1.2019 – 12 K 3654/17 Kg
Ein Bachelor- und ein Masterstudium können auch dann eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn die beabsichtigte Aufnahme des Masterstudiums nicht unmittelbar nach dem Bachelorabschluss bei der Familienkasse angezeigt wurde. Der Zeitpunkt, wann der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet und eine Erklärung/Behauptung abgegeben wird, kann zwar ein Indiz für bzw. gegen die Glaubhaftigkeit des erklärten Sachvortrags darstellen – mehr aber auch nicht.
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob der Klägerin für den Zeitraum von Mai 2015 bis August 2017 Kindergeld für ihren aus erster Ehe stammenden Sohn L (geb. 1992) zusteht. L absolvierte im Fach Maschinenbau (Bachelor of Engineering) im April 2015 sein Bachelorexamen. Daraufhin hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes gegenüber der Klägerin auf. L hatte im Februar 2015 bei Firma H einen Dienstvertrag abgeschlossen, in dem er sich zu einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden verpflichtete.
Nachdem L sein Zeugnis im Juni 2015 erhielt, bewarb er sich an der Fachhochschule FH in S, um dort einen „Master of Engineering“ zu erhalten. Das Ende der Bewerbungsfrist für den Studienbeginn am 1.9.2015 war der 15.7.2015. Studienvoraussetzung bei der Fachhochschule FH ist u.a. der Abschluss eines Bachelorstudiengangs in technisch orientierten Studiengängen mit einer Gesamtnote von mindestens 2,5. Diese Anforderungen erfüllte L.
Das Masterstudium begann L im September 2015. Voraussichtliches Ende des Masterstudiums war im Herbst 2018. Im Juli 2017 beantragte die Klägerin bei der Familienkasse für L rückwirkend ab Mai 2015 Kindergeld. Dies lehnte die Familienkasse ab.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Die Familienkasse hat den Kindergeldanspruch der Klägerin zu Unrecht versagt.
Der Kindergeldanspruch ist nicht wegen der Erwerbstätigkeit von L im Streitzeitraum ausgeschlossen. Denn L hatte noch keine erstmalige Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschlossen. Das von L nach Abschluss seines Bachelorabschlusses aufgenommene Masterstudium stellt vielmehr einen Teil seiner Erstausbildung dar. Im Streitfall ist die Erlangung des Master-Studiengangs Maschinenbau als heutiges Äquivalent des aufgrund des Bologna-Prozesses abgeschafften Diplom-Ingenieurstudienganges das ersichtliche Berufsziel von L, welches er planmäßig in einem zeitlich zusammenhängenden Weg (Abschluss „Bachelor of Engineering“ – Einschreiben für den Master) verfolgt.
Das von L nunmehr betriebene Masterstudium führt zu dem von ihm von vornherein angestrebten Berufsziel. Das Masterstudium steht in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zum ersten berufsqualifizierenden Bachelorabschluss. Das von L angestrebte Berufsziel konnte er nur über einen weiteren Abschluss – das weiterführende Masterstudium – erreichen. Der Bachelorabschluss alleine bietet im Bereich des Ingenieur- und Maschinenbauwesen keine ausreichende Perspektive im Zielberuf zu arbeiten. Der erforderliche fachliche Zusammenhang ergibt sich jedenfalls daraus, dass sich die Studiengänge (Bachelor und Master) inhaltlich und schwerpunktmäßig auf denselben Fachbereich derselben Berufssparte beziehen, dasselbe Berufsfeld vorbereiten und inhaltlich aufeinander Bezug nehmen. Für den zeitlichen Zusammenhang reicht es aus, dass die beiden Studiengänge im direkten Anschluss erfolgt sind.
Dass die Familienkasse erstmals im Juli 2017 davon unterrichtet worden ist, dass L seine erstmalige Berufsausbildung nicht bereits mit dem Bestehen der Prüfung des „Bachelors of Engineering“ (April 2015) beendet hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Hierdurch wird eine Kindergeldfestsetzung bzw. der Auszahlungsanspruch auf Kindergeld für den Streitzeitraum nicht beeinträchtigt. Zwar kann der Zeitpunkt, wann der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet und eine Erklärung/Behauptung abgegeben wird, ein Indiz für bzw. gegen die Glaubhaftigkeit des erklärten Sachvortrags darstellen – mehr aber auch nicht.
Dass die Klägerin der Familienkasse im April 2015 zunächst nur den Abschluss des Bachelorexamens ihres Sohnes mitgeteilt hat, spricht nicht gegen die Planung ihres Sohnes, anschießend mit dieser Berufsqualifikation ein sich darauf aufbauendes Master-Studium zu beginnen. Dass die Absicht des sich anschließenden Studiums nicht bereits im April 2015 der Beklagten zeitnah mitgeteilt worden ist, hing nach Angabe der Klägerin lediglich damit zusammen, dass sie keine Kenntnis davon hatte, einen möglichen Rechtsanspruch auf Zahlung des Kindergeldes zu haben. Demgegenüber ist der tatsächlich von L verwirklichte Geschehensablauf, nämlich das direkt an den Bachelorabschluss anschließende Studium, das beste und sicherste Indiz, dass dieser Ausbildungsweg auch so planmäßig verwirklicht werden sollte.
Quelle: Rechtsprechungsdatenbank NRW