Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Kaufrechtsvermächtnis?

BFH v. 16.1.2019 – II R 7/16

Erwirbt der Bedachte durch Vermächtnis das Recht, von dem Beschwerten den Abschluss eines Kaufvertrags über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zu fordern, unterliegt der Kaufvertrag der Grunderwerbsteuer. Eine Steuerbefreiung nach den Bestimmungen für Erwerbe von Todes wegen scheidet aus. Denn Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs ist der Kaufvertrag und nicht das Vermächtnis.

Der Sachverhalt:
Die Schwester des Klägers erwarb als Alleinerbin nach dem Tod des Vaters u.a. eine Eigentumswohnung und wurde als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Zugunsten des Klägers hatte der Vater zuvor u.a. in seinem Vermächtnis angeordnet: „Ich vermache meinem Sohn ein Ankaufsrecht an meiner Eigentumswohnung. Der Ankaufspreis entspricht dem Verkehrswert der Eigentumswohnung zum Zeitpunkt der Ausübung des Ankaufsrechts.“ Mit notariell beurkundetem Vertrag aus Januar 2013 erwarb der Kläger die Eigentumswohnung zu dem seinerzeit aktuellen Verkehrswert von 45.000 €.

Das Finanzamt setzte für den Kaufvertrag gegen den Kläger Grunderwerbsteuer i.H.v. 2.250 € fest. Das FG wie die hiergegen gerichtete Klage ab. Zwar sei der Erwerb durch Kaufrechtsvermächtnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grundsätzlich grunderwerbsteuerbefreit. Anders verhalte es sich allerdings, wenn dem Bedachten nur das Recht eingeräumt sei, das Grundstück zum Verkehrswert zu kaufen.

Der Kläger rügte im Revisionsverfahren eine Verletzung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG. Ob der Erwerb von Todes wegen Erbschaftsteuer auslöse, sei für die grunderwerbsteuerrechtliche Betrachtung ohne Belang. Der BFH bestätigte allerdings die Entscheidung des FG.

Gründe:
Der Erwerb des Grundstücks durch den Steuerpflichtigen stellte einen steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar. Der Vorgang war weder nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG noch nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.

Wird durch Vermächtnis ein „Kaufrecht“ erworben, kann grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang zum einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufvertrag sein, durch den der vermachte Anspruch erfüllt wird. Zum anderen kann der Steuertatbestand durch die Auflassung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erfüllt werden, wenn das Vermächtnis dem Bedachten direkt einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks einräumt. An der bisherigen Rechtsprechung, wonach ein derartiges Vermächtnis – ohne Auslegung seines Inhalts – dem Bedachten stets unmittelbar einen Anspruch auf Übertragung des Grundstücks verschafft, hält der Senat nicht mehr fest.

Im Fall des Kaufrechtsvermächtnisses ist Rechtsgrund der Übereignung der Kaufvertrag. Der Erwerb von Todes wegen durch Vermächtnis erfüllt in diesem Fall noch keinen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG. Der Abschluss des Kaufvertrags hingegen, der den der Grunderwerbsteuer zugrunde liegenden Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bildet, stellt keinen Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, sondern einen Erwerb unter Lebenden. Als solcher ist er nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.

Eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn das Vermächtnis dem Bedachten einen unmittelbaren Anspruch auf Übereignung des Grundstücks einräumt. In einem solchen Fall ist Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs das Vermächtnis. Der verwirklichte Grundstückserwerb erfolgt aufgrund des Vermächtnisses und damit von Todes wegen. Nur in einem solchen Fall ist es mit dem Ziel und Zweck von § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG -der Vermeidung der Doppelbelastung eines Lebenssachverhalts mit Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer – vereinbar, den Erwerbsvorgang von der Grunderwerbsteuer zu befreien, da der Erwerb durch Vermächtnis bereits nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG grundsätzlich der Erbschaftsteuer unterliegt. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG hängt allein von dem Rechtsgrund des Erwerbs und nicht von der Höhe des gezahlten Kaufpreises ab.

Quelle: BFH online